Kaum hatten wir die Garderobe betreten, stürmten mehrere Gogo Tänzer in Engelskostümen auf uns zu und drängelten sich an uns vorbei.
„Hier lebt ihr also.“, flüsterte ich nachdem schlagartig wieder Ruhe eingetreten war leise vor mich hin und schaute mich neugierig um.
„Ist das eine Neue?“, fragte der scheinbar einzig zurückgebliebene Akteur in meine Richtung.
„Nein. Ist sie nicht.“, antwortete Isabella kurz.
„Warum ist sie dann nackt?“
Seine Augen begannen auf meinem Körper zu tanzen. Ohne auf seine Frage einzugehen, führte sie mich zu einer Couch.
„Setz Dich hier hin. Möchtest Du ein Glas Wasser?“, fragte sie mich, unterdessen ich mein zum Teil klitschnasses, zum Teil bereits völlig verklebtes Latexkleid traurig musterte. Als ich wieder aufschaute, begann sich erneut alles zu drehen.
„Ich weiß es nicht.“, gab ich hilflos zurück. Während ich mich zurücklehnte und in dem weichen Stoff der Couch versank, schaute ich mich weiter um. Die Garderobe erinnerte mich an eine Theaterumkleide. Kleiderständer, Perücken, Kostüme, Schminktische, die Couch auf der ich saß, etwas weiter weg sogar ein riesiges Bett. Auf einem Stuhl saß die Person, die sich mir gegenüber so auffallend interessiert zeigte und schaute in seine Augen. Sein Blick wanderte zwischen Isabella und mir.
„Möchtest Du sie mir nicht vorstellen?“
Sein Interesse schien nicht abzureißen.
„Wenn Du wissen willst, wie sie heißt, frag sie selber. Sie sitzt vor Dir.“, erwiderte sie genervt.
„Wenn Du wissen willst, wie sie heißt, frag sie selber.“, ahmte er Isabella despektierlich nach. In dem Moment in dem ich erneut zu ihm schaute, blickte er vollkommen ungeniert in meinen noch immer entblößten Schritt.
„Sofern ich Deine Worte an Fabrizio richtig verstanden habe, unterscheidet sich Deine weitere Abendgestaltung von der Deiner Verehrer. Unterbreche mich bitte wenn ich mich täusche aber wenn es dabei bleiben soll, solltest Du jetzt besser von hier verschwinden.“
Aus dem Augenwinkel heraus erkannte ich, dass er mein Geschlecht nach wie vor musterte. Kontinuierlich begann ich meine Beine für ihn zu spreizen und versah ihn nun meinerseits mit einem provokanten Blick.
„Wie soll ich von hier verschwinden? Ich komme weder einfach an ihnen vorbei, noch habe ich einen Cent, um mir ein Taxi leisten zu können.“, antwortete ich resigniert. Das Taxi war zwar nicht dringend erforderlich doch selbst in dieser Situation wollte ich auf einen gewissen Komfort nicht verzichten.
„Adamo hat noch immer meine Tasche.“, versuchte ich meine Lage zu dramatisieren. Isabella runzelte die Stirn.
„Was den Weg nach draußen angeht, kannst Du den Fluchtweg benutzen. Er führt Dich gerade weg auf die Straße. Was das Taxi angeht, kann ich Dir etwas Geld geben. Nur bei Deiner Tasche sehe ich vorerst schwarz. Sollte ich irgendwie an sie heran kommen, kann ich sie Dir per Post schicken. Wie sieht sie aus?“
„Schwarz, von Chloé.“, antwortete ich erleichtert.
„Und wo wohnst Du?“
„Im De l’Europe.“
„Im De l’Europe?“
Prüfend starrte sie mich an.
„Ja. Wieso?“
Ihr musternder Blick enthielt Antwort genug. Erwartungsvoll schaute ich sie an.
„Was?“, begann sie meine abwartende Haltung ungeduldig zu hinterfragen.
„Hättest Du noch eine Kleinigkeit zum Anziehen?“
„Sicher, entschuldige bitte, irgendwie hatte ich mich schon an diesen Anblick gewöhnt.“
Erneut runzelte Isabella ihre Stirn.
„Und ich erst!“, hallte es schelmisch aus dem Hintergrund.
Ich versuchte, meine Dankbarkeit in Worte zu fassen, doch alles was sich in meinem Kopf formierte, schien meine Verlegenheit eher zu vergrößern, denn zu erlösen und so nahm ich Isabella und gab ihr einen lang anhaltenden Kuss.
„Bekomme ich auch einen?“, fragte mein Agent, kurz bevor er mir wenigstens einen Luftkuss zuwarf. Es dauerte einen Moment, bis ich meinen Blick auf dieses Bild von einem Manne aufgab, griff nach dem Geldschein den mir Isabella im selben Augenblick ungeduldig entgegenstreckte und öffnete langsam die Tür.
Sofort nachdem ich den Querriegel nach unten gedrückt hatte, vernahm ich ein schrilles, ohrenbetäubendes Pfeifen in meinen Ohren. Den schmerzhaften Ton verdrängend, versuchte ich mich in der neuen Umgebung zu orientieren. Wohin ich auch schaute, überall sah ich Treppenstufen aus schwarzem Metall. Wenn ich diesen Ton wahrnehmen konnte, dann konnten es Adamo und Fabrizio definitiv auch und rannte los.
„Bleib stehen!“, hörte ich urplötzlich jemanden schreien, kaum das ich ein Stockwerk nach unten gelaufen war. Ich blieb stehen und schaute nach oben. Gleich darauf schaute ich in ein weit aufgerissenes und erbostes Gesicht. Mein Herz begann wie wild zu schlagen. Ich musste weiter, wendete meinen Blick schließlich wieder von ihm ab und stieg eine Stufe nach der anderen weiter hinab. Dabei machte es mir die Kombination schmale Absätze auf Metallgitter nicht gerade leicht. Der Gedanke, meine High Heels auszuziehen, war sicherlich eine Option, Adamo jedoch viel zu schnell, als dass er mir letztlich die Zeit dazu gab und so blieb mir nichts anderes übrig, als weiter zu laufen und nicht die Nerven zu verlieren. Erneut hielt ich inne und schaute nach oben. Wieder hatte er deutlich aufgeholt! Blind vor Panik rannte ich weiter. So lange, bis ich eine Tür mit der Aufschrift „Ausgang“ vor mir hatte. Ich zog am Griff und rutschte ab.
„Verdammt!“, schrie ich und spürte ihn plötzlich direkt hinter mir.
„Du hältst uns schon den ganzen Abend zum Narren. Was glaubst Du eigentlich was Du bist?“, schrie er sogleich und zog mich von der Tür. Währenddessen er mich mit der einen Hand wegschleuderte, schlug er mir mit der anderen ins Gesicht. Ich taumelte zurück und versuchte mich irgendwo festzuhalten, doch noch während ich hoffte, keine weiteren Verletzungen abzubekommen, stieß ich mit einem Bein gegen das Geländer und sackte schmerzerfüllt zusammen. Außer sich vor Wut beugte er sich zu mir herunter, ergriff einen Arm und zog mich nach oben. Ich weiß nicht mehr welcher Schmerz tiefer wirkte, der in meinem Bein oder der in meinem Gesicht. Ich weiß nur noch, dass die Zeit stillzustehen schien. Irgendwann hatte ich ihn jedoch über mir. Wolkenfrei und voller Sterne. Einfach wunderschön.