Des absurden Gesprächs genug, zog es mich augenblicklich zu Isabella und schaute mich erneut vergeblich nach ihr um. Währenddessen ich meinen Blick schweifen ließ, spürte ich jemanden meine rechte Hand berühren. Es war Adamo, der mich stehenden Fußes zu sich zog. Dabei zerrte er derart kraftvoll, dass ich mich augenblicklich später auf seinem Schoß wiederfand. Adamo begann, mich zu mustern. Wiederholt griff er in meine Haare und zog mich dicht zu sich heran. Sein Antlitz kam immer näher. Ich spürte seinen Atem, kurz darauf seine Lippen.
„Ich werde dich richtig durchficken.“, hallte es mit einem Mal durch meinem Kopf.
Seinen überaus schnell gesprochenen Worten folgte eine Pause, in der er sich nach hinten lehnte und ein weiteres Glas Champagner leerte. Seine Hände begannen einmal mehr meinen Körper zu erkunden. Ich versuchte in mich hinein zu hören, doch so sehr ich mich auch auf mein Selbst konzentrierte, es gelang mir nicht herauszufinden, ob sein emotionaler Hinterhalt oder meine Faszination für diesen Mann das Zulassen seiner Berührungen rechtfertigte. War ich derart geblendet, dass ich ihm nicht widerstehen konnte? Wie ein Abhängiger, der nach der Therapie mit dem ersten Rückfall konfrontiert wurde, orientierte sich mein Blick im Nirgendwo. Je mehr ich mich meinen Empfindungen hingab, desto mehr spürte ich eine immer größer werdende Benommenheit. Ich musste schleunigst nachlegen und dachte in diesem Moment an meine Clutch. Der Schwindel nahm immer mehr zu und raubte meinem Körper die rettende Kraft. Doch vermisste ich überhaupt eine rettende Kraft? Die Widersprüche mehrten sich und ließen das Wagnis ungehindert fortfahren. Mehr und mehr fiel ich in ein gedankliches Nirwana und konzentrierte mich auf meine heiß gewordene Scham. Das Feuer, das ich spürte schien in sekundenschnelle meinen ganzen Körper einzunehmen. Urplötzlich war alles nackt. Meine Seele und auch mein Schritt. Mein Herz klopfte und ließ das Blut in meinen Adern nur um so stärker pulsieren. Halluzinierend erkannte ich Engel die über mir schwebten und dem Szenario schadenfroh beiwohnten. Eine Welle großer Triebhaftigkeit durchfuhr mit einem Mal meinen Körper und ließ mich laut aufstöhnen. Als ich meinen Kopf nach links drehte, erkannte ich Job. Er saß neben uns auf der Couch und hielt eine Kamera in der Hand. Helles Licht begann mich zu blenden, gab mir jedoch die Möglichkeit an irgendetwas festzuhalten, gab mir eine Richtung, in die ich schauen konnte. Das Licht für einen Moment unbeachtet lassend, versuchte ich in seine Augen zu schauen und meine Wirkung auf ihn zu analysieren. Seine Blicke waren intensiv und verrieten großes Interesse an dem, was er dort über den kleinen Bildschirm sah. Nach einer kurzen Weile kreuzten sich unsere Blicke. Sein Gesichtsausdruck verriet Lust und Verlangen, beides vereint mit einer Prise sympathischer Verlegenheit. Ich versuchte Unsicherheit, zumindest den Beginn einer solchen aufzuspüren. Nichts. Ich schloss die Augen und tauchte in eine neue, blitzartig erhellte Halluzination.
„Hier, trink noch etwas Champagner.“, hörte ich mit einem Mal Fabrizio sprechen. Doch noch in dem Moment, in dem ich mir über die verzerrte Wahrnehmung Gedanken machte, spürte ich die prickelnde Flüssigkeit in meinem Mund. Aus dem Hintergrund erscheinende Wortfetzen wurden durch lautes Lachen abgelöst, so schnell, dass ich mich aus meiner Trance sprunghaft löste und meine Augen wieder öffnete. Plötzlich auftauchende Übelkeit ließ mich zusammenzucken und von Adamo zurückweichen. Ich bekam das Gefühl, mich jeden Moment zu übergeben.
„Wo willst du hin? Wir wollen gleich los.“, schrie es in mein Bewusstsein. Ohne auf die Frage einzugehen, stand ich auf und rannte Richtung Abort. Auf dem Weg dorthin erfasste mich ein Würgereiz, der mir beide Hände vor den Mund schnellen ließ. Nichts war mehr wichtig. Nicht mehr diese Neugier und auch nicht mehr das Wagnis, diese Gesellschaft auf pornographischem Wege zu unterhalten. Ganz ruhig bleiben, sagte ich mir und hoffte, nicht zusammenzubrechen. Betäubt erreichte ich die Toilette. Der nächste Würgereiz ließ nicht lange auf sich warten und so stürmte ich in eine Kabine und beugte mich über das Becken. Während ich kraftlos zu Boden sank und mich meinen Reflexen hingab, erkannte ich, dass ich völlig nackt war. Analog zur Tänzerin neben uns trug ich High Heels. Mehr nicht.
„Oh Gott. Oh mein Gott.“, hauchte ich in die Toilette und begann aufs Neue zu würgen. Ich hatte genug. Genug vom Champagner. Genug vom Kokain. Genug von Adamo und Fabrizio. Ich wusste, dass ich es den beiden nicht würde klar machen können und dachte in diesem Moment an meine Handtasche. Sie werden meinen Sinneswandel nicht akzeptieren, dachte ich mir, nicht solange Adamo ein Teil unseres Deals war und starrte voller Tränen vor mich hin. Er hatte es mir mit dem unausstehlichen Teil seiner Persönlichkeit mehr als einmal spüren lassen. Doch wie um alles in der Welt sollte ich von hier verschwinden? Ich besaß nichts. Nichts außer meinen High Heels und schaute wiederholt beschämt an mir herunter. In dem Moment, in dem ich vom nächsten Würgereiz erfasst wurde, hörte ich es Klopfen.
„Die Tür ist auf.“, stöhnte ich. Ich wagte kaum hochzusehen, als ich Isabellas Stimme vernahm. War sie es wirklich und schaute auf.
„Ganz ruhig. Atme tief durch.“, sprach Isabella zu mir. Erleichtert schnappte ich nach Luft.
„Komm, ich helfe Dir.“, sagte sie und zog mich wieder hoch. Sie führte mich an den Waschtisch und ließ meinen geschundenen Körper kaltes Wasser spüren. Ich zuckte zusammen, berührt von der Eiseskälte und vom Anblick der sich durch einen flüchtigen Blick in den Spiegel bot.
„Komm mit.“, sprach sie und öffnete die Tür nach draußen.
Sie nahm mich an die Hand und lief los. Wo wollte sie mit mir hin? Willensschwach taumelte ich hinterher. Während sie meine Hand nahm und mich über den Flur zerrte, erkannte ich drei Männer die sich unterhielten. Ich musterte jeden von ihnen und atmete erleichtert auf, als ich erkannte, dass keiner von ihnen meiner Abendbegleitung in irgendeiner Form ähnlich sah. Als sie uns erblickten, hielten sie inne und schauten uns ungläubig an. Nachdem ich ihre gierigen Blicke mitbekommen hatte, stürzte ich mich in den Versuch, teilnahmslos zu wirken und sie davon in Kenntnis zu setzen, dass mich der Umstand, dass sie mich derart hüllenlos vor sich hatten, nicht weiter interessierte.
„Besorgt ihr es euch jetzt?“, rief uns einer aus der Gruppe ekelhaft hinterher.
„Und wie.“, antwortete Isabella dicht an meiner Seite.
„Dürfen wir zuschauen?“, spielte derselbe die Provokation wieder zurück.
„Das hättet ihr wohl gerne.“
Mit einem an alle drei gerichteten Handkuss entschärfte sie schließlich unser Konterfei.
„Hey. Wo wollt ihr hin?“, hörte ich eine vertraute Stimme unvermittelt fragen. Behutsam drehte ich mich um. Ich erkannte Fabrizio, der uns unerwartet folgte.
„Sie ist gleich wieder bei euch.“, rief Isabella in seine Richtung. Ihrem Versuch, mich von hier wegzubringen zum Trotz wandte ich mich von ihr ab und stolperte zu ihm.
„Fabrizio, ich habe es mir anders überlegt.“, hauchte ich ihm entgegen und erkannte das Latex in seiner Hand. Fabrizio schaute mich entgeistert an.
„Ich glaube nicht, dass Adamo das zulassen wird.“
Vorsichtig schaute er dabei zurück, so, als ob er ihn jeden Moment erwartete. Während ich das Kleid an mich nahm, gab ich ihm bittend einen Kuss. Kurz darauf waren wir hinter einer Tür mit der Aufschrift Garderobe – Kein Zutritt! verschwunden.