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Märzgeburt /// Launenhafte Charaktere

In unserem Separee angekommen, sah ich Fabrizio neben einem weiteren Unbekannten stehen. Fabrizio‘s winkender Geste nach zu urteilen, jemand, den er mir augenblicklich vorstellen wollte und trat neugierig an sie heran.
„Daniele. Das ist Olivia.“
„Olivia. Das ist Daniele. Ihm gehört das Paradiso.“, fuhr er fort.
Sobald mich Daniele mit zwei Küssen auf die Wange begrüßt hatte, begann er mich zu studieren. Dabei schienen seine Augen jeden Zentimeters meines Körpers erkunden zu wollen. Verlegen schaute ich zu Boden. Daniele sah gut aus. Noch besser als Adamo und Fabrizio und was das erstaunliche war, Daniele schien um einiges jünger. Nachdem er sich ein detailliertes Bild von mir gemacht hatte, nahm er ein Glas Champagner und reichte es mir.


„Auf Amsterdam.“, toastete er mir zu.
„Auf Amsterdam.“, erwiderte ich schüchtern.
In dem Moment, in dem ich das Glas ansetzte, hielt ich kurz inne. Ich begann mich zu fragen, wie viel Daniele von mir wusste, kurz, ob er den wahren Grund meiner Anwesenheit wusste und musterte nunmehr alle drei. Um von meinen Gedanken abzulenken, teilte ich Daniele mit, dass ich seinen Club, genauer gesagt, das gerade Erlebte atemberaubend fand und nahm einen großzügigen Schluck.
„Sag nicht, dass Du heute Abend das erste Mal eine Frau geküsst hast?“, fragte er schelmisch und studierte mich erneut.
„Nein. Das meine ich auch nicht. Ich meine die Tatsache, dass…“
Er ließ mich nicht ausreden.
„Schlussendlich geht es doch um das Leben, also Leben im Sinne von leben, im Sinne von unterhalten. Ich sage nicht, dass das eine besser und das andere schlechter ist, ich sage nur, dass jeder Mensch die Möglichkeit haben sollte, zu entscheiden, ob und wie weit er seine eigene persönliche Grenze ziehen oder eben überschreiten möchte. Das hier ist ein Teil dieser Entscheidung, dieser Freiheit die ich meine. Fandest Du Isabella sexy?“, lenkte er die Aufmerksamkeit auf das von mir angedeutete Geschehen.
„Soll ich sie zu uns holen?“, setzte er ohne Umschweife an. Ohne anscheinend auf seine Fragen eine Antwort erhalten zu wollen, stand er auf und verschwand. Meine Gedanken begannen sich zu drehen. Alles begann sich zu drehen.
 
 
Eine Folge des Alkoholkonsums war die, dass sich nach einer gewissen Zeit alles drehte. Eine Folge des Kokainkonsums die, dass es Alkohol nahezu neutralisierte. Zumindest für einen Moment. Das Karussell hörte auf zu drehen. Worte und Gedanken hörten auf zu drehen. Man konnte an der Party wieder teilnehmen, so, als ob man gerade erst erschienen war, vorausgesetzt man kam nicht schon völlig zugedröhnt. Suchend blickte ich mich um. Eigentlich sollten doch gerade hier die süßen Engel schweben und schaute an die Decke des WC.
 
 
Als ich mich wieder zu unserem Separee begab, erkannte ich schon von weitem riesige Flügel in strahlendem Weiß. Weiß wie Schnee sagte ich mir und analysierte die Wirkung des lichten Schimmers in diesem noch immer viel zu dunklen Raum. Kaum hatten mich Danieles Blicke erfasst, begann er laut aufzuschreien. Enttäuscht darüber, dass er womöglich schwul war, stellte ich mich wieder zu ihm.
„Schau mal wer hier ist, Olivia, Dein Engel!“, gab er plötzlich in einem beinahe kindlichen Ton von sich. Er begann, uns beide abwechselnd anzuschauen. Daniele war offensichtlich von der Sorte Mann, der einen nicht nur immer wieder in Verlegenheit bringen konnte, sondern es auch regelmäßig tat. Beschämt ließ ich meinen Blick durch den Raum schweifen.
„Isabella? Kannst Du Dich noch an sie erinnern?“
„Und ob!“
Ihr unschuldiges Lächeln wich einem durchtriebenen Grinsen. Schließlich trat sie dicht an mich ran und küsste mich auf die Wange.
„Was denn. Was denn. Nur auf die Wange? Da habe ich aber eben etwas anderes gehört“, schmollte Daniele tief enttäuscht und streichelte Isabella langanhaltend über den Arsch.
„Typisch Daniele.“, flüsterte Isabella, während sie dabei ihre Augen rollen ließ. Als ich dabei eher beiläufig zu Adamo schaute, blickte ich in ein trauriges Gesicht, spürte ich die Gewissheit, dass es wohl an Zeit war, mich wieder zu Fabrizio und Adamo zu gesellen. Kaum hatte ich zwischen ihnen Platz genommen, schauten sie mich irritiert an.
„Sieht sie nicht traumhaft aus.“, sagte ich eher feststellend, denn fragend und schaute zu Isabella zurück.
„Es wäre schön, wenn Du uns unterhältst und nicht umgekehrt.“
Kaum hatte ich meinen Kopf in die entsprechende Richtung gedreht, schaute ich in Adamos ernst bleibendes Gesicht. Von seiner unfreundlichen Bemerkung irritiert, versuchte ich seine gegenwärtige Unausgeglichenheit zu interpretieren. Während ich weiterhin in die Augen meines trügerischen Charmeurs sah, rutschte Fabrizio fast unbemerkt dicht an mich heran und übernahm seinerseits den Monolog.
„Tut mir Leid, aber er nimmt alles so schnell persönlich und dann reagiert er genau so. Ungehalten und sensibel.“
„Was habe ich getan?“, begann ich unseren Dialog in der Gewissheit, kein Fehlverhalten mein eigen nennen zu wollen.
„Du lässt uns warten! Immer und immer wieder! Merkst Du das nicht?“, ergriff nun Adamo wieder das Wort.
Ich verstand kein Wort und zweifelte an der Ernsthaftigkeit seines Tenors.
„Es tut mir leid, aber ich habe keine Ahnung wovon Du gerade sprichst. Was meinst Du mit warten?“
Handelte es sich gerade um eine ernstzunehmende Wertschätzung meiner Natur oder befand ich mich gerade in einer ironischen Selbstinszenierung? Um ehrlich zu sein, war ich mehr als nur irritiert. Ich hatte meine Worte kaum ausgesprochen, als Adamo plötzlich meine Haare umfasste und mich dominant nach hinten zog.
„Du lässt uns ab sofort bedeutend mehr Aufmerksamkeit zukommen. Hast Du mich verstanden?“
Als ob er seinen Worten zusätzlich noch mehr Ausdruck verleihen wollte, umfasste er mit der anderen Hand meinen Hals und drückte fest zu. Seine Augen waren mit einem Mal so glasig, so trüb. Mir schien, als ob er seine Seele getauscht hatte und von irgendetwas dämonisiert gesteuert wurde. Mein Körper reagierte sofort und ließ mich das pulsierende Blut spüren. Doch noch bevor ich den Hauch eines Schmerzes erahnen konnte, löste er seine Hand und streifte meinen Körper erkundend langsam abwärts.
„Lutsch meinen Schwanz.“, hauchte er mir schließlich unnatürlich ins Ohr.
„Bitte?“, entgegnete ich ihm fassungslos und in der Überzeugung die von ihm geforderte Intimität mittlerweile überhaupt nicht mehr teilen zu wollen.
„Lutsch meinen Schwanz.“, wiederholte er unverfroren in derselben Manier.
Hilfe suchend, schaute ich nach Isabella. Mein Engel war nirgends zu sehen.

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