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Märzgeburt /// Nichtachtung

„Es geht mich im Grunde genommen nichts an, aber passen Sie bitte auf sich auf.“, sprach sie mich plötzlich unverhofft an. Ohne ein weiteres Wort zu verlautbaren, verließ sie wieder den intimen Ort und ließ mich umgeben von einer eigenartigen Ruhe zurück. Je mehr Zeit verging, desto mehr wusste ich nicht so Recht, was ich von ihren Worten halten sollte und stützte mich auf dem Granit des Waschtischs ab. Auf der einen Seite war ich über ihre Sorge dankbar, auf der anderen Seite erinnerte ich mich an den beschlossenen Deal. Nicht des Deals wegen, sondern des berauschenden Gefühls wegen, das ich seit der Anwesenheit beider Männer spürte. Ich erinnerte mich an die sympathischen Momente charmanter Konversation. An Momente zwischenmenschlicher Annäherungen, an seine Hand, die noch immer in meinem Schritt zu spüren war. Unseriös war in meinen Augen etwas anderes. Wenn überhaupt, dann gehörte ich in die Ecke zweifelhafter Charaktere.


„Wo warst Du so lange? Ich habe mir schon Sorgen gemacht.“, fragte Adamo sichtlich genervt und musterte mich mit einem prüfenden Blick. Ohne eine Antwort abwarten zu wollen, deutete er auf einen Umschlag in seiner Hand.
„Fünftausend Euro.“
Verwundert darüber, dass er so viel Geld bei sich hatte, blieb ich dem Blick auf das Kuvert treu. Schier abwertend warf er den Umschlag auf den Tresen und starrte mich misstrauisch an.
„Wo ist Ihr Freund?“, versuchte ich seiner plötzlichen Distanz etwas entgegenzusetzen und schaute mich neugierig um.
„Er wartet in der Limousine.“
Mit diesen Worten stand er auf.
„Und wo fahren wir jetzt hin?“, fragte ich, unterdessen wir Richtung Aufzug liefen.
„Halt! Stopp! Bestimmt ein Geheimnis.“, schloss ich übertrieben gespielt verschwörerisch meinen Worten an.
„Ins Paradiso.“, entgegnete er mir kühl.
Paradiso? Für mich hörte sich der Name nach einem Haus der Sinne, nach swingernder Freude, schlicht, nach einem Bordell an.
„Fährt ihr Freund?“, fragte ich plötzlich besorgt.
„Ein Chauffeur.“
„Vorsicht! Verraten Sie nicht zu viel.“, schmunzelte ich erneut vor mich hin.
Stille.
„Wussten Sie, dass ich in diesem Hause einen Verehrer habe?“
„Nein?“
„Wenn Sie Glück haben, können Sie ihn gleich sehen.“
„Du meinst, wenn Du Glück hast. Schließlich ist es Deiner.“
„Von Glück würde ich in diesem Falle nicht sprechen.“, antwortete ich.
„So schlimm?“
„Ja.“
„Es gibt für jedes Mysterium einen Preis. Waren das nicht Deine Worte?“, sprach er, während er seinen Kopf erwartungsvoll in meine Richtung drehte.
„Nicht ihn diesem Fall.“
Noch bevor ich ihn endgültig davon überzeugen konnte, öffneten sich die Türen des Lifts und ließen den Auserwählten erkennen. Nachdem wir schließlich eingetreten waren, versuchte er die plötzliche Ruhe zu interpretieren.
„Liegt Ihre derzeitige Verschwiegenheit an der außergewöhnlichen Form der Zahl Drei?“
„Ja.“, gab ich lauthals lachend zurück.
„Sie sind mir übrigens noch eine Antwort schuldig.“, äußerte ich unvermittelt in den Raum.
„Kennst Du das Sprichwort, der Reiz der Versuchung liegt darin, ihr zu widerstehen?“
„Der Reiz der Versuchung liegt darin, ihr zu widerstehen.“, wiederholte ich leise, während ich in die auf uns gerichteten Augen des Liftboys schaute. Ich bekam das Gefühl, dass sein Blick meinem nicht weichen wollte und wendete meinen Blick kurzerhand ab. Aus dem Augenwinkel heraus erkannte ich, dass er seiner beobachtenden Rolle treu blieb. In dieser Hinsicht waren wir ein perfektes Team.
Meine Nichtachtung vollführte mit seiner penetranten Beobachtungsgabe einen Tanz, dem ich nur zu gern applaudierte. Und während ich vorhin noch ein Gefühl großen Unbehagens gespürt hatte, genoss ich dieses Mal, wohl in Anwesenheit von Adamo, geradezu die Nähe dieser, wie nannte ich sie doch gleich, bemitleidenswerten Kreatur.
 
 
Nach dem wir schließlich die Straße erreicht hatten, erkannte ich Fabrizio auf dem Rücksitz einer Limousine direkt vor dem Eingang. Durch die geöffnete Tür deutete er mir mit einem Händewink Platz zu nehmen und stieg zu ihm. Sobald sich unser Gefährt in Bewegung gesetzt hatte, begann mein Herz urplötzlich heftig zu pochen. Wie eigenartig ruhig es mit einem Mal war.
Als ich an mir herunter schaute, sah ich mich zwischen ihnen sitzen, spürte ich ihre Oberschenkel dicht an meinen, schaute ich auf ihre Hände und begann mir vorzustellen, wie sie meine Oberschenkel auf ihre legten, wie ich mit gespreizten Beinen zwischen ihnen saß, wie sich der Fahrer plötzlich umdrehte und nervös auf mein nasses Geschlecht sah, wie sie mich alle drei gegen meinen Willen abwechselnd küssten.
In dem Moment, in dem ich mich von dieser Vorstellung löste, schaute ich sie an. Auch sie schienen ihren Gedanken zu folgen und fühlte mich sogleich isoliert. Gelangweilt schaute ich in meine Handtasche. Make-up. Zimmerkarte. Fünftausend Euro. Trenchcoat! Ein Schreck durchfuhr meinen Körper.
„Ich habe meinen Trenchcoat vergessen.“, sprach ich laut in die Richtung meiner Begleiter. Als ob ich diesen Satz still zu mir selbst gesagt hatte, niemand schien sich auch nur im Geringsten dafür zu interessieren.

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