Ich hatte dem Taxifahrer gesagt, dass ich keine Nutte bin. Doch woran erkannte ich, dass nicht schon längst eine war? Auch wenn die Philosophie Sex gegen Bezahlung bisher nie eine Rolle gespielt hatte.
Die Art wie ich liebte oder geliebt wurde sprach eindeutig dafür. Dazu die einhergehende Lust, diese unbeschreiblich erfüllte Befriedigung meiner Lust. Urplötzlich begann ich zwischen den Erlebnissen und den damit verbundenen Empfindungen hin und her zu springen. Mein Blick schwenkte dabei zum Fenster und erfasste die verschwommenen Lichter der Nacht.
Ich schätzte, der einzige Grund, warum ich nicht offiziell anschaffen ging, war der, dass ich einfach genug Geld besaß und auf einen Job im horizontalen Gewerbe nicht angewiesen war. Und genau in diesem Moment verstand ich zum ersten Mal die Interpretation meiner Worte.
Ich hatte es überhaupt nicht nötig, mich der Etikette einer Geliebten hinzugeben und tat es trotzdem.
Zu Hause kannte ich wenige die davon wussten, die sich diesbezüglich auch nur im Ansatz verständnisvoll zeigten. Der Enttäuschung meiner Lieben war ich mir auch aus diesem Grunde stets bewusst, der Gewissheit, dass das was sie für Liebe hielten nichts mit dem gemein hatte was ich darunter verstand. Kurzweilige Affären mit Männern, denen oft selbige Attribute in den Gesichtern standen. Jedes Mal die einhergehende Gewissheit, dass jeder Neubeginn nur so lange Bestand hatte, bis ich erneut in meinen aufkommenden Zweifeln versank.
Geistesabwesend richtete ich meine Augen wieder auf die Männer an der Bar. Sie schienen mit ihrem sympathischen Lachen und den offensichtlich amüsierenden Gedanken genau das zu sein, was ich jetzt brauchte und leerte den Rest des Champagners mit einem Atemzug.
Als ich mich den beiden Herren schließlich vollends zuwendete, erkannte ich, dass sie mich nach wie vor beobachteten und entschied, mich ihren Blicken wohlwollender hinzugeben. Mein Habitus hielt die Tatsache bereit, genau so zu sitzen, dass mein Kleid in ihre Richtung zeigte. Und so schlug ich, die Provokation vollendend, das hierdurch noch um einiges freizügiger dargebotene Bein über das andere.
Unterdessen ich im Verlauf meiner Darbietung auf mein Glas schaute, richtete ich meinen Blick gleich darauf wieder zurück. Anhaltend neugierige Blicke die meinen Körper studierten. Ernsthafte Blicke die die Absicht verkündeten, Interesse an einer Bekehrung zu besitzen. Ihr Lachen urplötzlich verstummt, genau so wie das mittlerweile flüsternde Gespräch. Das vertraute Kribbeln in meinem Bauch, der Drang, eine neue Episode zu beginnen.
Ausdauernd starrten sie mich an, setzten sie mich über ihr unverschämtes Interesse unverfroren in Kenntnis, leuchteten ihre Augen in meine, ließen sie mich an der Gewissheit teilhaben, dass ihnen meine Darbietung gefiel.
Nahezu zeitgleich erhoben sie schließlich ihre Gläser und begrüßten mich offiziell in ihrem Bewusstsein. Meine, mit einem sanften Lächeln gefüllte Antwort ließ nun meinerseits das Glas erheben und ihren Gruß erwidern. Das Glas wieder auf den Tisch gestellt, deutete ich auf dessen Leere und erwartete eine entsprechende Reaktion. Ihre Aufmerksamkeit ließ nicht lange auf sich warten, denn während sich der eine in meine Richtung begab, orderte der andere einen Barkeeper zu seinem Platz.
„Guten Abend. Mein Name ist Adamo. Ich finde, nach dem wir uns nun einander bildlich vorgestellt haben, ist es an der Zeit, unsere Kommunikation mit Worten zu füllen. Darf ich Sie zu uns an die Bar bitten?“
„Sehr gerne.“, antwortete ich mit einem Schmunzeln und stand auf. Ohne zu zögern, folgte ich ihm schließlich zur Bar. Auf dem Weg dorthin vernahm ich augenblicklich wieder die Lichter der Stadt, welche begannen, um mich herum zu tanzen. Und so musste ich mich darauf konzentrieren, eben genau diesen Zustand, in Anlehnung der wunderschönen Architektur, nicht all zu durchsichtig zu gestalten.
„Mein Name ist Fabrizio.“, begrüßte mich Adamos Begleitung und fasste nach meiner ausgestreckten Hand.
„Mein Name ist Olivia.“, erwiderte ich seinen Empfang unterdessen seine Hand meine nahezu verschlang.
„Willkommen an unserer Bar, Olivia.“, verkündete er freudestrahlend und nahm nach der Erkenntnis, mich neben ihm sitzen zu sehen, wieder Platz.
„Ihnen wird aufgefallen sein, dass wir Sie schon längere Zeit beobachten, doch abgesehen davon, dass wir hoffen, unsere Blicke nicht allzu aufdringlich gestaltet zu haben, haben wir uns gefragt, weshalb eine so attraktive Erscheinung wie Sie alleine am Tisch sitzt und sich selbst überlassen ist.“, fügte er seinem charmanten Willkommensgruß an. Die Worte kaum ausgesprochen, begann ich zu schmunzeln und mit einer befangenen Geste zu antworten.
„Vielen Dank. Mir sind ihre musternden Blicke sehr wohl aufgefallen, doch ich finde, dass die Tatsache auf Gegenseitigkeit beruht und um ganz ehrlich zu sein, fand sie alles andere als unangenehm, was nicht heißen soll, dass ich nur deswegen an ihren Tisch gekommen bin.“
„So? Welchen Gründen haben wir denn noch Ihre Anwesenheit zu verdanken?“, führte er seine kommunikative Art fort und beugte sich theatralisch zu mir.
„Ich konnte lediglich ihr amüsantes Gespräch beobachten und verspürte den Wunsch, an diesem Zustand etwas zu ändern. Zudem war ich zwischenzeitlich meiner selbst genug und hatte mir etwas Gesellschaft gewünscht, was sich wohl hiermit geändert haben sollte.“
Beide Herren schauten sich an und übergaben sich ihrem leicht wieder zu erkennenden Lachen.
„Sie möchten wissen, über was wir uns gerade unterhalten haben?“
„Ich weiß nicht, ob wir Ihnen das offenbaren sollten.“, setzte Adamo in gespielt sonorem Ton an.
„Kommen Sie. Sie werden doch nicht über etwas gesprochen haben, was der Menschheit noch nicht bekannt ist, oder?“, forderte ich ihn heraus.
„Das nicht, aber ganz sicher über etwas, das Ihnen noch nicht bekannt ist.“
„Das hört sich wirklich sehr mysteriös an und scheint im Falle einer Offenbarung, Anlass zu geben, mich zu …?“
Den Satz nicht zu Ende gesprochen, schaute ich sie abwechselnd an.
„Bevor wir Ihnen mitteilen, worum es in unserem Gespräch ging, beantworten Sie uns bitte eine Frage.
„Sind Sie aus beruflichen oder privaten Gründen in Amsterdam?“
Adamos Augen funkelten mich an.
„Um ehrlich zu sein, bin ich gerade dabei, genau das herauszufinden.“
„Dann besitzen auch Sie ein Mysterium?“
„Ja. Doch bevor ich Ihnen meins nenne, möchte ich, dass sie mir erst Ihres verraten.“, versuchte ich an meine scheinbar längst vergessene Frage zu erinnern. Weshalb nur schienen sie nicht im Geringsten auf mich eingehen zu wollen?