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Märzgeburt /// Blumen in der Mitte des Raumes

Fußboden, Wände, jedes einzelne Detail war mit dunklem Marmor getäfelt und vermittelte etwas Düsteres und undurchdringlich Kaltes. Unterstrichen wurde die geisterhafte Atmosphäre durch das indirekte Licht, welches das Atrium beleuchtete. Während ich durch die Halle schritt, hallten meine metallenen Absätze durch den Raum.
Ich schaute mich um und ließ meine Blicke kreisen. Nirgends fand ich auch nur einen Hinweis auf das Restaurant. Ich wandte mich wieder dem Ausgang entgegen, als ich direkt daneben einen Empfang erkannte. Erneut hallten die Absätze durch den Raum. Ich lehnte mich gegen den glatten Stein und schaute auf die andere Seite des Tresens. War ich hier überhaupt richtig?


Ich entschied, einen Augenblick zu warten, doch so sehr ich auch auf eine schicksalhafte Lösung hoffte, meine Anwesenheit schien niemanden zu interessieren. Der Situation immer mehr überdrüssig öffnete ich schließlich meine Handtasche und suchte nach dem Handy.
„Und wie kann ich Dich nun erreichen?“, sprach ich leise vor mich hin, unterdessen ich feststellte, dass ich das Handy offenbar im Hotel vergessen hatte. Verträumt schaute ich auf das riesige Blumenarrangement in der Mitte des Raumes. Je länger ich den Farben und Formen der perfekt aufeinander abgestimmten und gleichmäßig angeordneten Blumen folgte, desto mehr begann ich über den Taxifahrer zu grübeln.
Konnte es sein, dass er mich an einer falschen Stelle abgesetzt hatte, dass er mein Spiel sehr wohl durchschaut hatte und ich, obschon ich seinem urplötzlich verkündeten Wunsch nach einem Blowjob lediglich mit einem gespielten Zögern nachgekommen war, gerade seine Antwort darauf erfuhr?
Ich stand noch immer am Empfang und warf einen Blick über den Arbeitsplatz des abwesenden Personals. Ich blickte auf Telefone und Bildschirme, die mit Hilfe von Kameras weite Teile des Gebäudes überwachten.
Ich begab mich hinter den Tresen und setzte mich auf einen der Sessel. Während ich meine Blicke über die Monitore schweifen ließ, nahm ich eines der Telefone und wählte die Nummer meines Freundes. So oft ich es auch versuchte, es schien keine Verbindung zuzulassen und legte enttäuscht auf.
 
 
In dem Moment, in dem ich wieder aufstehen wollte, erkannte ich in der Dämmerung des Raumes eine Person, die mich von Weitem vorwurfsvoll anstarrte. Erschrocken wich ich zurück.
„Was haben Sie dort verloren?“, sprang er mir mit einem krankhaft nasalen Ton entgegen.
Unterdessen er nach kurzen schnellen Schritten gleich darauf neben mir stand und mich von oben bis unten musterte, versuchte ich mich mit einem entschuldigenden Lächeln zu erklären.
Seine weit aufgerissenen Augen erfassten plötzlich den durch den geöffneten Mantel hindurch schimmernden Glanz des Latexkleides und ließen ihn in seinen Beobachtungen innehalten. Je länger er mich musterte, desto mehr schien sein Misstrauen einer penetranten Neugier zu weichen und rollte mit dem Drehstuhl noch ein Stück zurück. Seinen anhaltend aufdringlich gestalteten Blicken zum Trotz, begann ich ihn nun meinerseits zu mustern.
Sein blasses, nahezu krankhaft aussehende Gesicht passte hervorragend zur Aura dieser Lobby und verspürte den Drang, mich seiner Anwesenheit augenblicklich zu entziehen.
„Ich suche das Maja.“, versuchte ich der prekären Situation etwas Wirkung zu nehmen.
Stille.
„Entschuldigung? Ich möchte in das Restaurant!“, präzisierte ich meine Ungeduld und starrte ihn überlegen an.
Der Blick des Angestellten begann sich mehr und mehr zu lichten.
„Es ist oben. Auf dem Dach.“
Wenngleich ich mich mit seiner schier lähmenden Natur nicht zufrieden geben wollte, hielt ich meinen Mund.
 
 
Schweigend folgte ich ihm zum Lift. Während wir auf ihn warteten, stand ich schräg hinter ihm und setzte meine Beobachtungen sprunghaft fort. Die Schulterenden seines Anzuges hingen an den Seiten müde herunter und eröffneten dem Betrachter eine ganze Reihe von Merkmalen, die auf eine deutlich zu groß gewählte Garderobe hinwiesen. Am Hemdkragen erkannte ich zudem, dass er schwitzte und trat angewidert erneut einen Schritt zurück. Die abgelaufenen Schuhe vollendeten schließlich das Bild und stellten seine Widerwärtigkeit abschließend zur Schau.
Je mehr ich auch versuchte mich, mich zu entspannen, das Gefühl großen Unbehagens schien nicht enden zu wollen und stieg proportional zur verblichenen Zeit.
Als sich die Türen des Lifts kurz darauf öffneten, folgte ich ihm äußerst vorsichtig und nutzte die gesamte Größe des viel zu kleinen Raums.
Kaum hatten sich die Türen wieder geschlossen, begann er plötzlich mit einem Schritt auf mich zuzugehen. Mit wachsamem Blick, seinen Händen aufmerksam folgend, trat ich schnell beiseite und schaute ihn, derweil er mich im Laufe seiner Bewegungen beinahe berührte, hochkonzentriert an. Hatte ich bereits einem weiteren Ausdruck seiner unerwünschten Zuneigung entgegen gesehen, drückte er stattdessen auf das Relais und stellte sich anschließend wieder an den von ihm zuvor eingenommenen Platz. Billiges Aftershave erreichte meinen Riechnerv und ließ ihn angewidert zusammenziehen.
„Einen schönen Abend.“, begleitete mit einem Mal das wiederkehrende Öffnen der Fahrstuhltüren, worauf er mich erwartungsvoller denn je anstarrte.
Ohne seinen Gruß auch nur mit einer Silbe zu erwidern, stieg ich schleunigst aus dem Lift und ließ ihn in seinem Leben offensichtlich abermals gescheitert betroffen zurück.

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