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Russisches Roulette /// Provokation romantischer Art (2/2)

„Hi Schatz. Treffe mich gleich mit Alex. Bis später.:-*“, las ich die Nachricht, die mich im selben Moment erreichte.
„Viel Spaß und noch viel mehr Erkenntnisse!“, schrieb ich aufgeregt zurück.
Meine durchaus aufrichtig gemeinten Worte hatten in ihr den Wunsch geweckt, mit ihm endlich darüber sprechen und ihn, entgegen ihrer Gewohnheit, ein zweites Mal sehen zu wollen. Das ich diesem Vorhaben auch nach ihrem Entschluss positiv gegenüber stand, erachtete ich als selbstverständlich, schließlich war ein Mann ein Wort. Dennoch, je mehr Zeit verging, desto mehr wurde das Einvernehmen zu einem Geduldsspiel. Immer wieder musste ich an sie denken und begann mir jedes Mal aufs Neue vorzustellen, wo sie gerade waren und was sie in diesem Moment taten. Stunden später erhielt ich endlich eine weitere sms.


„Alex und Olivia am See.“, las ich die Bild beschreibenden Worte.
Mein Blick fokussierte sofort das Wesentliche und begann, die Momentaufnahme zu interpretieren. Das seidene, leicht ausgestellte Minikleid in Mint zierte ihr attraktives Antlitz, das leicht verschwitzt in die Kamera lächelte. Eine Mischung aus Provokation und Romantik und spürte augenblicklich diese gleichermaßen geliebte wie verhasste Nervosität.
So sehr ich mir auch gewünscht hatte, endlich mehr über ihn zu erfahren, seine Sonnenbrille ließ ihn weitestgehend unerkannt und störte mich innerlich daran. Eifersüchtig starrte ich auf das über seine muskulösen Oberarme gespannte Shirt.
„Und? Wie läuft‘s?“, antwortete ich schließlich, ohne das Bild weiter zu kommentieren.
„Geht so.“
„Geht so?“
„Haben noch nicht über uns gesprochen.“
„Fang doch einfach an?“, tippte ich voller Ungeduld.
„Dafür bin ich noch zu nüchtern.;-)“
 
 
Unruhe begleitete mich bis spät in die Nacht. Erst nachdem ich mich abermals befriedigt hatte, gelang es mir, endlich einzuschlafen und wachte am nächsten Morgen vollkommen übermüdet auf. Sobald ich mir die Situation wieder in Erinnerung gerufen hatte, nahm ich mein Handy und wählte ihre Nummer. Während ich auf den Rufton achtete, blickte ich auf die Uhr. Es war halb elf. Nach dem dritten Versuch gab ich auf. Sofort begann ich wieder, an den vergangenen Abend zu denken und überlegte, wie ihr Treffen abschließend verlaufen war.
 
 
„Na? Wie war‘s?“, meldete ich mich etwas pikiert, sobald ich sie am anderen Ende der Leitung Stunden später wusste.
„Schön. Nach unserem Telefonat haben wir uns eine Flasche Wein geholt. Danach konnten wir endlich über uns reden.“, kicherte sie leise in den Hörer.
Ihre Worte verrieten Erleichterung. Gespannt hörte ich weiter zu.
„Und? Habt ihr über euch gesprochen?“
„Haben wir. Er hat mir gesagt, dass er damals über beide Ohren in mich verliebt gewesen war, jedoch nicht wusste, wie er mir das sagen sollte, geschweige denn wie ich dazu stand. Als die zwei Wochen vorbei waren, war er einfach zu schüchtern gewesen, um sich noch einmal bei mir zu melden.“
„Was hast Du dazu gesagt?“
„Das ich gewusst habe, dass er in mich verliebt war, dass ich auch in ihn verliebt gewesen war und traurig darüber war, dass er es mir nicht einfach gesagt hat.“
Stille.
„Ist es ok, wenn ich so offen darüber spreche?“
Stille.
„Ist es.“, gab ich glaubhaft zu verstehen.
„Und darüber habt ihr gestern Abend nach all den Jahren wirklich das erste Mal gesprochen?“
„Irgendwie schon. Verrückt oder?“
„Worüber habt ihr noch gesprochen?“, feuerte mich die Neugier weiter an.
„Über alles mögliche. Wie es ihm geht, wie es mir geht. Das Übliche.“
„Was ist mit der Frage, weshalb nicht mehr aus euch wurde oder weshalb ihr keinen Sex hattet? Weshalb ihr diese Verbundenheit spürt und was sie bedeuten könnte?“
Stille.
„Mir scheint, als ob Dich die Frage nach dem Sex mehr beschäftigt, als mich. Er war schon irritiert genug, dass ich mich nach so kurzer Zeit erneut mit ihm treffen wollte.“
„Und?“
„Ich habe ihm gesagt, dass es mich einfach interessiert.“
Stille.
„Er hat mich geküsst.“
„Also hat er Dir damals doch gezeigt, dass er etwas für Dich empfindet.“
„Nicht damals. Gestern Abend.“
Stille.
„Bist Du noch dran?“
„Ja.“
Stille.
„Hast Du den Kuss erwidert?“
„Nur kurz.“, antwortete sie leise.
„Wie kurz?“
„Keine Ahnung. So lange, bis ich ihn weggeschoben habe.“
Stille.
„Warum sprichst Du eigentlich die ganze Zeit so leise?“
„Ich bin noch bei ihm und möchte ihn nicht wecken.“
„Du bist noch bei ihm? Hast Du bei ihm geschlafen?“
Blitzschnell wechselte ich in Gedanken das Wort „bei“ in „mit“.
„Es war ziemlich spät und er hat es mir angeboten. Außerdem ist es nicht bei einer Flasche geblieben.“
Stille.
„Bist Du noch dran?“
„Ja.“
„Bist Du sauer?“
„Nein. Nur überrascht.“
Stille.
„War er höflich?“
„Beim Küssen?“, machte sie sich über meine Frage lustig und kicherte erneut in den Hörer.
„Nein. Heute Nacht.“, antwortete ich genervt und kicherte gespielt zurück.
„Ja, war er, obwohl er der schüchterne Junge von früher bestimmt nicht mehr ist.“
„Das heißt?“
„Das heißt, dass mir immer wieder auffällt, wie selbstbewusster und männlicher er geworden ist.“
„Bist Du wieder verliebt?“
„Spinnst Du? Natürlich nicht!“
„Aber Du findest ihn noch immer attraktiv.“
„Das schon.“
„Mehr als früher?“
Stille.
„Testest Du mich gerade?“
„Nein?“
„Naja.“, begann sie zu schmunzeln.
„So wie er nicht mehr der schüchterne Junge ist, bin ich auch nicht mehr das schüchterne Mädchen.“
„Hast Du den Kuss etwa provoziert?“
„Nein!“
Meine Gedanken erfassten urplötzlich das Minikleid und begann, die Wirkung auf ihn zu interpretieren.
„Bist Du gerade eifersüchtig?“
Ich dachte nach.
„Bin ich, bin ich aber auch wieder nicht.“
Stille.
„Habt ihr in einem Bett geschlafen?“
„Ja, aber es ist nichts passiert, falls das Deine nächste Frage ist.“
„Habt ihr euch dort noch einmal geküsst?“
Stille.
„Habt ihr oder habt ihr nicht?“, versuchte ich mit Hilfe der Ungeduld die Hoffnung, dass sie es getan hatten nicht preiszugeben und eifersüchtig zu erscheinen.
„Nein.“
Stille.
„Möchtest Du ihn noch einmal wieder sehen?“
„Du meinst vor meinem nächsten Geburtstag? Warum nicht?“
Stille.
„Möchtest Du ihn auch noch einmal küssen?“
„Sicher, dass Du mich gerade nicht testest?“
„Ganz sicher.“
Stille.
„Vielleicht?“, kicherte sie wiederholt.
„Könntest Du es Dir denn vorstellen?“
Mir stockte der Atem. Hatte sie mich das gerade wirklich gefragt?
„Ich werde nämlich das Gefühl nicht los, dass Dich diese Vorstellung gerade unglaublich anturnt.“
Stille.
„Habe ich recht?“
„Er steht wie eine Eins.“
Nun war ich es der lächelte, um den Worten wieder etwas Kraft zu nehmen.
Stille.
„Ich werde aus Dir einfach nicht schlau. Das eine Mal bist Du irrsinnig eifersüchtig, ein anderes Mal unglaublich erregt, spielst mit dem Gedanken, dass ich einen anderen Mann küsse, den ich noch dazu schon so lange kenne. Und komme mir jetzt bitte nicht wieder mit Deinen Worten über diese Chance, über dieses geheimnisvolle Rätsel. Ich würde einen anderen Mann küssen. Das wäre es objektiv gesehen, nicht mehr und nicht weniger.“
„Könntest Du es Dir denn vorstellen?“, verlangte ich ungeachtet ihrer Worte nach einer Antwort.
„Klar könnte ich, genau so wie ich mir vorstellen kann, dass er mich bis zur Besinnungslosigkeit fickt.“
Obwohl sie nach wie vor flüsterte, hätte sie ihre Worte am Liebsten geschrien.
Stille.
„Bin ich es nicht wert?“
„Was genau meinst Du denn damit?“
„Zu 100 Prozent nur Dir zu gehören?“
„Du weißt, das dieser Gedanke absurd ist.“
„Ja genau. Absurd. Genau wie diese Vorstellung.“
„Deinen Worten zufolge könnte ich das auch über mich sagen. Das ich es nicht wert bin und aus diesem Grund andere Männer an dem teilhaben lassen möchte, was ich über alles begehre.“
Stille.
„Andere Männer? Geht es Dir gerade nicht nur um ihn? Du spinnst ja!“
Kurz darauf legte sie auf.

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