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Russisches Roulette /// Geringfügig bestehender Mangel an Interpretation

Der Lärmpegel verriet, dass die Bar sehr gut besucht war und begab mich sogleich auf die Suche nach ihr. Nachdem ich sie im Erdgeschoss nicht finden konnte, betrat ich die Stufen zur Galerie. Oben angekommen, erkannte ich unzählige Tische, die genau wie unten voll besetzt waren und ließ meine Blicke weiter kreisen. Kurz bevor ich ihren Tisch schließlich erreichte, stand sie plötzlich auf und gab die Sicht auf das atemberaubende Detail frei.
Urplötzlich registrierte ich ihre Leggings, die auf Grund ihrer Stiefeletten endlos schien und selbst in dieser leicht gedämmten Atmosphäre unglaublich glänzte. Urplötzlich registrierte ich die gewohnte aber dennoch immer wieder alles erschütternde Nervosität und folgte der Erkenntnis, welch Faszination sie auf mich verübte. Ohne fortan auf irgend etwas anderes achten zu können, gab ich ihr einen Kuss und setzte mich zu ihr.

Obwohl ich versucht war, ihren Worten mit größter Aufmerksamkeit zu folgen, meine Gedanken galten fortan nur noch diesem glänzenden Stück. Die Absicht, sie dort mit meinen Blicken zu berühren, verlief jedoch im Sande, denn wir saßen über Eck und so war es alles andere als leicht.

Unterdessen ich mit der Zeit wieder konzentrierter an unserer Konversation teilnehmen konnte, verkündete sie mit einem Mal, auf die Toilette gehen zu wollen und entschuldigte sich für einen Moment. Während sie sich langsam erhob, sprangen meine Augen auf ihre Beine, gleich darauf in ihren Schritt. Wie ein Junkie begann ich die Eindrücke aufzusaugen, die meinen Trieb befriedigten, letzten Endes aber nur noch um so mehr schürten.

In dem darauf folgenden Augenblick des auf mich selbst gestellt seins, begann ich über meinen Fetisch für ihre Mode zu schmunzeln und erkannte, dass sie ihn für mich und anscheinend auch für den ein oder anderen Gast um mich herum wie selbstverständlich bediente. Auch wenn ich in Bezug auf sie noch nicht von meiner Freundin sprechen konnte, so war ich ihr von allen anderen hier in diesem Raum in dieser Hinsicht wohl am nächsten und folgte dem nur noch geringfügig bestehendem Mangel an Interpretation. Nachdem sie wieder zurück gekehrt war, offenbarte sie mir ihre Lust, eine rauchen zu wollen und erkundigte sich nach meinem Dafür.

„Auf der anderen Seite.“, gab sie mir mit einem Augenzwinkern zu verstehen und begann, eine Zigarette aus ihrer Schachtel zu nehmen. So voll es im Gastraum war, so wenig Gesellschaft hielt die Raucherlounge für uns bereit. Erst als wir schon fast aufgeraucht hatten, gesellten sich zwei junge Männer zu uns, die sich nachdenklich unterhielten und sich an einen entfernten Nebentisch stellten. Kaum ein Moment verging, in dem ich nicht zu ihnen schaute, denn anstatt meiner heimlichen Absicht zu folgen, in dem sie Olivia allmählich intensiver studierten, sprachen sie weiter und ließen sie vollkommen unbeachtet neben sich stehen.

Zwei Männer Gentlemen gleich oder einfach nur zu schüchtern, um diese Frau zur Kenntnis zu nehmen? Ich war mir ziemlich sicher, dass sich in ihren Köpfen gerade mehr abspielte, als ihre unscheinbare Natur nach außen hin zeigte und begann mehr und mehr mit dem Gedanken zu spielen, ihr Interesse zu provozieren. Keine Ahnung, ob sie dabei auch nur annähernd das empfinden würden, was bei mir schon seit Beginn an tobte, doch ein Versuch war es definitiv wert. Und so fing ich an, ihren Sinn für Mode zu bewundern und die Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen. Dabei blieb ich in meinen Ausführungen durchweg vage und versuchte, den leisesten Verdacht auf meinen Fetisch zu umgehen. Der Erfolg gab mir Recht, denn obwohl sie zunächst versucht waren, ihrem Thema weiterhin treu zu bleiben, erkannte ich mit der Zeit ihren immer neugieriger werdenden Blick.

Als sie nach einer weiteren Zigarette fragte, lehnte ich ab. Nachdem ich ihr versicherte, durchaus alleine gehen zu können, schaute sie sich kurz um und fand sich damit ab.
„Bis gleich.“, gab sie mir mit einem Lächeln zu verstehen und erhob sich erneut von unserem Tisch. Auch dieses Mal folgte ich ihren Bewegungen, als sie kurz darauf ihren beigefarbenen Cardigan abstreifte, um so mehr. Ungeduldig wartete ich auf den Moment, in dem sie mir ihren Rücken zudrehen würde und wurde mir gewiss, ihre Kehrseite in Kürze das erste Mal genauer betrachten zu können.

Als sie davon schritt, folgten meine Augen und dieses Mal auch um so mehr die der anderen dem Glanz, der sie unterhalb ihrer Hüften auf unglaublich ästhetische Weise umgab. Ohne sich noch einmal umzudrehen, trat sie ein und verschwand im blauen Dunst hinter einer Tür aus Glas. Mein Herz schlug schneller als jemals zuvor und versuchte, mich irgendwie abzulenken und die unmoralischen Phantasien zu umgehen. Je mehr Zeit verging, desto nervöser wurde ich und begann, die Einrichtung der Bar zu verstehen. Ein emotionaler Cocktail schoss durch meine Adern und ließ mich dabei wie paralysiert in den Raum starren. Unzählige Phantasien ergriffen schließlich von mir Besitz und ließen mich in meinem Schritt berühren.

Während zwei Gäste die Raucherlounge wieder verließen, blieb mir gerade noch genug Zeit, um zu erkennen, dass sie an einem Bistrotisch stand und sich offensichtlich unterhielt. Ob ich hinterher gehen und mich dazu stellen sollte? Ausgeschlossen und massierte weiterhin den Schwanz. Erneut schaute ich auf das Handy. Hatte ich meine Nachrichten eigentlich alle schon gelesen? Fern ab der Konzentration wechselte ich von einer Nachricht zur nächsten und las sie lückenhaft noch einmal durch. Dabei versuchte ich mich, von Zeit und unbändiger Lust zu befreien und schaute erneut zur Tür.

Als ich sah, wie sich drei Männer der Tür näherten, nahmen meine Emotionen noch weiter zu und begann, dem Moment entgegen zu fiebern, in dem ich endlich wieder sehen konnte was im Inneren der Lounge geschah. Mein Blick starr auf den kleinen Durchgang gerichtet, erkannte ich, wie sich die drei hinter ihr aufstellten und schaute augenblicklich später wieder auf die geschlossene Tür.

Verrückt, wie sehr mich diese unscheinbar wirkende Situation vollkommen in Ekstase versetzte und fragte mich, was sie wohl derzeit empfand. Eine scheinbar alltägliche Situation gab Raum für etwas, dass niemandem sonst zugänglich war und sinnierte, ob in den Köpfen der übrigen Gäste in diesem Moment ein vergleichbares Empfinden wahrgenommen wurde. Schnell kehrte ich wieder zu mir zurück, denn obwohl ich ernsthaft versucht war, meine Gedanken immer wieder aufs Neue zu bändigen, kam ich nicht umhin, mir vorzustellen, wie sie von ihren Gesprächspartnern auf ihre Leggings angesprochen wurde, wie sie nach der Beschaffenheit des glänzenden Materials gefragt wurde und wie sie begann, die Leggings mit ihren Fingern unbedarft zu berühren, wie sie sich nach dem Tragegefühl erkundigten und sie detailliert beschrieb, wie sich das glatte, hautenge Material auf ihrer Haut anfühlte, wie sie sie im Gegensatz zu mir äußerst selbstbewusst darum baten, den Stoff einmal ertasten zu dürfen und sie daraufhin ihre Beine und selbst ihren Arsch wie selbstverständlich präsentierte, wie sie ihren Händen immer mehr Raum gab, sich dabei den übrigen Voyeuren zuwendete und ihre zunächst überraschten, im Laufe der Zeit jedoch immer lustvolleren Blicke registrierte, wie sie dazu auf ihre wichsenden Schwänze starrte und sich einer nach dem anderen auf ihren Beinen entlud.

Nach etwa einer halben Stunde verließ sie plötzlich in Begleitung eines Mannes den Raum und folgte ihm nach unten. Ohne das sie zu mir schaute und ohne das ich sie kurz darauf überhaupt noch sehen konnte, starrte ich hinterher. Einige Minuten später sah ich sie schließlich wieder die Treppe hinauf kommen und empfing sie mit einem nervösen Lächeln an unserem Tisch. Den längeren Augenblick ihrer Abwesenheit erklärend, gab sie an, bereits kurz nachdem sie ihre Zigarette angezündet hatte, von zwei Männern angesprochen worden zu sein. Als ob sie sie einfach nicht gehen lassen wollten, sprachen sie immer wieder auf sie ein.

Aus Höflichkeit ihnen gegenüber nahm sie schließlich an der Runde weiter teil und schob den Wunsch, alsbald zu mir zurückkehren zu wollen, notgedrungen auf. Kurz bevor sie schließlich fest entschlossen war, die Raucherlounge wieder zu verlassen, verlautbarte einer der Männer, Fotograf zu sein und Interesse an einem Shooting mit ihr zu bekunden. Seinem Kontakt zunächst ablehnend gegenüber stehend, erwähnte sie, dass sie in der Vergangenheit tatsächlich hin und wieder angesprochen wurde, ein Shooting jedoch nie gemacht habe und ließ sich auch dieses Mal vollkommen unverbindlich auf den Austausch ihrer Daten ein.

Als ich sie fragte, welche Art Bilder er überhaupt machte, gab sie sich ahnungslos und deutete auf seine Visitenkarte in ihrer Hand.
„Vielleicht ja dieses Mal.“, schmunzelte sie mit einem Blick auf die Karte, kurz bevor sie noch einmal Richtung Treppe schaute. Den Augenblick nutzend, versuchte ich sie der wahr gewordenen Phantasie zu überführen und starrte vorerst das letzte Mal in ihren Schritt.

Was für eine Frau, dachte ich mir, kurz nachdem sie aus meinem Auto gestiegen und in ihrem Hausflur verschwunden war. Nicht zuletzt deshalb, weil ich mich nicht daran erinnern konnte, mir jemals zuvor während einer Verabredung heimlich einen runtergeholt zu haben und hoffte insgeheim, dass sie das bald übernahm.

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